Gruppe: Cour de Cassel

Der Hof der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 18. Jahrhundert
Dargestellt werden vor allem Persönlichkeiten am Hof des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel, der durch seinen gewinnbringenden Soldatenhandel mit England bekannt geworden ist. Unter seiner Regentschaft wurden rund 19 000 Soldaten aus der Landgrafschaft, sowie angeworbene Ausländer, an die englische Krone vermietet, um den Aufstand der englischen Kolonisten in Nordamerika niederzuschlagen. Die Soldatenvermietung während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1776 -1783) brachte der Landgrafschaft einen bemerkenswerten Wohlstand ein.
Der sozial-kulturelle Aspekt des 18. Jahrhunderts spielt eine große Rolle: Die Auseinandersetzung mit der historischen Etikette und dem Zeremoniell, der Kunst der Epoche, Musik, Literatur bis hin zum höfischen Zeitvertreib ist der maßgebliche Inhalt der Tätigkeiten. Die Weltgewandtheit, das Nacheifern des Gesellschaftsideals der "honnêtes gens" der "ehrbaren Leute" ist Dreh- und Angelpunkt der Gruppe. Die intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Thematiken findet für Herren im Rahmen des z.T. auch militärisch ausgerichteten Collegium Carolinums statt, für Damen, und Herren die das Militär scheuen, finden in unregelmäßigen Abständen private Salongesellschaften statt, nach dem Vorbild der Pariser Intellektuellensalons des 18. Jahrhunderts.

Aktivitäten und Veranstaltungen
Die Darstellungsgruppe recherchiert die Kleidermode der bürgerlichen Oberschicht und des Adels vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert. Besuche in Museen und Archiven zusammen mit dem Quellenstudium, bilden die Grundlage für die praktische Arbeit. Gelegentlich gibt es Handarbeitstreffen, bei denen viele der Kleider und Uniformen entstanden sind, die die Zuschauer bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen zu sehen bekommen. Die Garderoben und Uniformen werden in der Regel in Eigenarbeit angefertigt.
Die Gruppe trifft sich häufig zu Promenaden in den Schlossgärten von Wilhelmshöhe und Wilhelmsthal (selbstverständlich mit der Erlaubnis der Museumslandschaft). Ab und zu wird auch zu privaten Soiréen in der Residenzstadt Kassel geladen.
Bei vielen Veranstaltungen ist die Gruppe zu Gast, wie der Zweitreise ins 18. Jahrhundert, den Barock- und Jagdtagen in Clemenswerth, den Barocktagen in Bückeburg oder ist selbst der Gastgeber, wie bei der Hofhaltung im Rokoko im Palais Hohhaus in Lauterbach uvm.
Auch historische Darstellungen abseits der Hessischen Geschichte spielen eine Rolle, so gab es auch Einladungen nach Minden (Zeitinseln), Berlin (Schloss Rheinsberg),Wolfenbüttel (Residenzschloss Wolfenbüttel), Schloss Zeilitzheim, Museumsdorf Wackershofen, Hessenpark u.a.
Der Orden vom goldenen Löwen

Dieser Orden war die höchste Auszeichnung der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Zunächst wurde er an Mitglieder des Hauses Hessen und deren Diener, später auch an befreundete Familien verliehen. Landgraf Friedrich II. stiftete diesen Ritterorden am 14. August 1770 als eindeutiges Zeichen, dass das Haus Hessen nun zu den großen europäischen Familien gehörte.
Der Orden war ähnlich den zahlreichen älteren Ritterorden Europas gestaltet, gestickter Brutstern, Schärpe und Kleinod. Der Bruststern zeigt den hessischen bunten Löwen, umgeben von einem roten Spruchband "Virtute et Fedilitate" (Für Tugend und Treue), die Darstellung wiederholt sich beim goldenen Kleinod, welches an einer roten Seidenmoireschärpe von der rechten Schulter zu linken Hüfte getragen wird. Mit dem Orden wurden auch neue Münzen geprägt, auf deren Forderseite sich das Profil des Landesherren befand, auf der Rückseite der Stern des Ordens mit dem Ordensspruch. Im Volksmund hießen diese silbernen Münzen sehr bald „Sterntaler“ die dann auch zu einem der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm (die eine Zeit in Kassel lebten) inspirierten. Unter dem späteren Kurfürsten Wilhelm, dem ältesten Sohn des Landgrafen, wurden die Statuten bereits wieder geändert und der Orden in mehrere Klassen unterteilt. Mehrfach wurde er in späterer Zeit geändert bis der Orden 1918 entgültig erlosch.

Im Rahmen der Geschichtsdarstellung hat die Darstellungsgruppe diesen Orden in seiner Gestalt, wie er unter Landgraf Friedrich II. verliehen wurde, reaktiviert. Er wird ausschließlich an Mitglieder des Hofstaates verliehen, wie dies damals auch getan wurde. Der Ordenstag wird regelmäßig gefeiert und ein strenges Register der Ritter (Ordensmitglieder) geführt.

Hofhaltung in Kassel unter Landgraf Friedrich II.

Der Hof zu Hessen-Kassel gehörte im 18. Jahrhundert zu den mittleren Höfen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Zu seiner Glanzzeit führte er etwa 450 Mitglieder des Hofstaates, neben dem Hofadel war das vor allem der Regierungsapparat, die Dienerschaft, Gärtner, Jagdpersonal, Musiker, Küchenpersonal, und viele Bedienstete die das Leben bei Hofe betreuten. Zu Zeiten des Landgrafen Wilhelm VIII. war die Hofhaltung noch stark eingeschränkt, die Millionenzahlungen an Schweden, die Schulden des Großvaters mit seinen Prachtbauten wie dem Herkules oder dem Orangerieschloss und schließlich die Folgen des Österreichischen Erbfolgekrieges der in den für Hessen verheerenden Siebenjährigen Krieg mündete, machte eine Hofhaltung im Stil der großen Höfe so gut wie unmöglich.
Erst als der Erbprinz Friedrich 1760 neuer Landgraf wurde, und mit der Beendigung des Siebenjährigen Krieges fand wieder eine reguläre Hofhaltung statt. Als ein erstes großes Hoffest wurde die Reiherejagd beim Jagdschloss Wabern abgehalten. Dieses Ereignis, mit dem nicht nur das Ende des Siebenjährigen Krieges mit dem Frieden von Hubertusburg 1763 gefeiert wurde, sondern auch die Versöhnung mit dem benachbarten Fürstentum Waldeck und seinem Fürst Carl August Friedrich (er verstarb noch im Friedensjahr 1763), hielt der Maler J.H.Tischbein mit großformatigen Bildtafeln fest.
getrennte Hofhaltung
Das Hofleben wurde von einer nicht allzu strengen Hofetikette nach französischem Vorbild geregelt. Der Oberhofmarschall Eugen du Rosey wachte über die Einhaltung der Etikette. Viele der oberen Hofchargen waren auch gleichzeitig Minister, wie der Oberstallmeister Wittdorf oder der Oberstkämmerer Jungken. Der Hof zu Kassel galt als einer der am besten geführten des Reiches. Der Hofstaat der Landgräfin war stets vom Hof des Landgrafen getrennt. Auch dies war nach dem Vorbilde des französischen Hofes eingerichtet, kam dem Fürstenpaar aber auch zu Pass, da seine zweite Gattin, die preußische Prinzessin Philippine von Brandenburg Schwedt fast 25 Jahre jünger war und es wenig Gemeinsamkeiten gab – zudem hatte die Landgräfin sich attestieren lassen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keinesfalls schwanger werden dürfe. Sie wurde von der Jugend des Hofes umgeben, Freigeister wie der Freiherr von Knigge gehörten ihrem Gefolge an. Er sang als Zeichen, dass der Landgraf heute nicht anwesend sein würde, von der zweiten Kirchenbank aus auf die Melodie „eine feste Burg ist unser Gott“: „Heut‘ abend geht der Landgraf aus“.

Der Landgrafen war hingegen von seinen engsten Ministern, den hohen Offizieren und seinen Hofdamen und Maitressen umgeben. Zur mittäglichen Tafel des Landgrafen waren stets Fremde eingeladen. Donnerstags und Sonntags war „Cour“ für alle hoffähigen Personen, abwechselnd abgehalten bei der Landgräfin und beim Landgrafen. Es fanden große Tafeleien im Residenzschloss statt, dazu regelmäßig Ballett, Komödie und Oper, dann wurde später am Abend gespielt und schließlich wieder getafelt. In der Fastenzeit fanden wöchentlich Maskenbälle statt. Auch würde häufig die Residenz in den Sommer und Herbstmonaten gewechselt, der Landgraf bevorzugte das Jagschloss Wabern, und das Schloss Weißenstein – während die Landgräfin mit ihrem Hofstaat im Stadtschloss verblieb. Der Landgraf unternahm aber auch Auslandsreisen nach Italien oder England.

Landgraf Friedrich war den schönen Künsten und der Aufklärung sehr zu getan, doch erst nach Abschluss der Subsidienverträge mit England und dem enormen Geldfluss, konnte er viele seiner Projekte und eine Hofhaltung nach seinen Vorstellungen realisieren. Die Schlossbauten wurden fertig gestellt oder zumindest an den Projekten weiter gebaut. Große Opern wurden in einem neuen Theater aufgeführt, dabei zeigte der Landgraf einen breitgefächerten Geschmack, neben den italienischen Werken von Jommelli, Hasse und jene seines Hofkomponisten Ignazio Fiorillo, wurden vorwiegend französische Stücke von Rameau, Gluck und Grétry gegeben.
Auch die Sammlungen wurden erweitert, es entstand die Antikensammlung, die schon damals die Zeitgenossen beeindruckte, eine Menagerie mit exotischen Tieren wurde angelegt, durch die neugegründete Kunstakademie, dem Fridericianum als öffentliches Museum und viele andere attraktive Einrichtungen, lockte Kassel zahlreiche Besucher an, darunter auch einige Berühmtheiten der Zeit, wie Goethe, der Kassel zweimal besuchte, Kloppstock, Lessing, Matthias Claudius, Herder… sie alle waren von der aufblühenden Residenzstadt und ihren spektakulären Bauten und Anlagen beeindruckt.

Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel
Dieser hessische Landgraf ist durch den Soldatenhandel in die Geschichte eingegangen, oft als „Menschenverkäufer“ verunglimpft, ist dieser Landesfürst jedoch einer der ersten Fürsten der Aufklärung gewesen.
1720 in Kassel geboren genoss er eine umfangreiche Bildung. Besuchte auf seiner „Grand Tour“ London und Paris, und war auch in militärischen Dingen erfolgreich. So führte er 1741 die hessischen Truppen im österreichischen Erbfolgekrieg auf der Seite Carl Albrechts gegen Maria Theresia. Einige Jahre später bekam er von seinem Schwiegervater, George II. von England, ein Kommando unter dem Herzog von Cumberland gegen die Jacobiten. Doch nach dem Massaker von Culloden (1746), in Schottland, verweigerte er eine Beteiligung seiner Truppen an der darauf folgenden Menschenjagd, wofür er noch heute in Schottland verehrt wird. Kurz darauf, 1749, konvertierte er zum Katholizismus, ein Schock für die protestantische Welt. Er musste sich mit der berühmt gewordenen Assekurationsakte verpflichten die Religion als Privatsache zu behandeln. Das ohnehin angespannte Verhältnis zu seinem Vater, den Landgrafen Wilhelm VIII. war nun vollends zerrüttet, auch bekam er nun kein bedeutendes Kommando vom König mehr. Friedrich bemühte sich daher in österreichische Dienste zu treten, doch der preussische König kam diesen Überlegungen zuvor und übergab dem Erbprinzen das Infanterie Regiment No.45, beförderte ihn zum Generalleutnant und später zum Generalfeldmarschall – jedoch ohne dass er beabsichtigte den Erbprinzen, bzw. späteren Landgraf, jemals aktiv in diesen Positionen agieren zu lassen.

Als Friedrich 1760 die Regierung übernahm, trat er ein schweres Erbe an:
Hessen war einer der Hauptkriegsschauplätze des siebenjährigen Krieges, das Land war verwüstet, viele Dörfer zerstört. Der Militärapparat war stets die wichtigste Einnahmequelle des Staates gewesen, mit der Vermietung der Truppen bestritt die Landgrafschaft fast 60% des gesamten Jahreshaushalts. Alle Bestrebungen gingen nach dem Krieg dahin, dass verhältnismäßig gigantischen Herr der Landgrafschaft zu reduzieren und neue Wirtschaftzweige zu erschließen. Manufakturen wurden gegründet und die Landwirtschaft wiederbelebt. Doch erst die Unruhen in den englischen Kolonien in Amerika und der 1775 / 1776 abgeschlossene Subsidienvertrag mit England brachte der Landgrafschaft den erhofften Aufschwung. Die Soldaten meldeten sich in ersten Jahren freiwillig, sah es doch nach einer leichten Mission aus ein paar Rebellen niederzumachen, die Aussicht auf Beute, Ruhm und Aufstiegsmöglichkeiten war zu verlockend. Doch als sich abzeichnete, dass sich der Krieg hinziehen würde, und immer mehr hessische Soldaten fielen, kamen die Zwangswerber – gegen den Befehl des Landgrafen. Da Amerika von Frankreich unterstützt wurde, sich auf diese Weise Frankreich für den verlorenen siebenjährigen Krieg an England rächen wollte, kam auch die negative Propaganda hauptsächlich aus Frankreich – und diese wirkt bis heute nach. Die Einnahmen aus diesem Subsidienvertrag rissen jedoch die Landgrafschaft förmlich aus dem Mittelalter heraus. Neue Straßen konnten gebaut werden, Dörfer wurden errichtet, die Stadt Kassel modernisiert: der Friedrichs- und Königsplatz entstand, ein neues Opernhaus wurde gebaut, es folgten die Gründung der Kunstakademie (1777) und der Bau des Fridericianums (1779), des ersten öffentlichen Museums auf dem Kontinent. Dies sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Projekte des kunstsinnigen Landgrafen. Landgraf Friedrich II. war ein großer Liebhaber der Oper, Werke von Rameau, Gluck, Jommelli, Gretry, Hasse und vom Hofkomponisten Fiorillo machten das Haus bald überregional bekannt. Eine französische Ballett- und Schauspieltruppe wurde engagiert.

Ein weiteres Projekt, schon seit 1760 war das Collegium Carolinum, eine Art Universität an der Landgraf Friedrich II. einige der besten Köpfe versammelte. Dozenten waren der Maler J.H. Tischbein, der Bildhauer A.Nahl, der Forschungsreisende Georg Forster (er hatte James Cook bei seinen Reisen begleitet) der Architekt Simon du Ry, und der Anatom Thomas von Soemmerling. Die Einrichtung verfügte über eine exzellente Ausstattung und Lehrkräfte, konnte sich jedoch nie wirklich etablieren, so dass die Einrichtung nach dem Tode des Landgrafen der Lehrbetrieb eingestellte. Aus dem Collegium Carolinum ging die Kunstakademie hervor, die noch heute als Kunsthochschule Kassel existiert.

Landgraf Friedrich II. war im Gegensatz zu seinem Vater und auch zu seinem Erben dem späteren Kurfürsten kein Despot. Kunstsinnig, der Aufklärung sehr aufgeschlossen, liebte er dennoch den höfischen Pomp und die Prachtentfaltung. Er versuchte die Gartenanlagen seines Großvaters, des Landgrafen Carl, zu vollenden, liebte die höfische Jagd, die großen höfischen Feste und Paraden seiner Truppen und ausgiebige Bankette. Als gutmütig aber auch wankelmütig beschrieben, unterhielt er zahlreiche Liebschaften. Der Hof der Landgräfin war von dem des Landgrafen meist getrennt: er bevorzugte die Gesellschaft der älteren Offiziere, die laut zeitgenössischen Berichten, sehr unbefangen mit dem Landgrafen sprachen, sowie hübscher Hofdamen und seiner Mätressen. Reisende berichten, dass die Etikette am Kasseler Hof recht zurückhaltend angewandt wurde und der Landgraf ohne Standesdünkel auch herzlich mit interessanten Reisenden verkehrte, wie z.B. mit dem Schotten James Boswell.

Gruppenleiter
